Tilli kommt zu Besuch

Tilli ist …

… für viele Menschen ein ganz normaler Yorkshire Terrier
… für einige Menschen ein lieber Besuchshund
… für mich einzigartig

Jetzt liegt Tilli entspannt neben mir, beschäftigt sich ein wenig mit Fellpflege, während ich mir Gedanken darüber mache, wie ich am besten das Thema Besuchshund angehen kann.

Je länger ich darüber nachdenke, umso schwieriger erscheint es mir. Berichten könnte ich ausführlich über die Themen:  Was sind Besuchshunde? Welche Voraussetzungen muss ein Besuchshund erfüllen? Wie sieht die Ausbildung aus? Was lernt der Hund? Gibt es spezielle Besuchshunderassen? Aufgaben eines Besuchshunde-Teams? Hundegesundheit und Hygiene? Doch das alles wäre vollkommen unzureichend, denn damit beschreibe ich lediglich die „berufliche Qualifikation“.

Auch die Wiedergabe emotionaler Erlebnisse kann nicht annähernd all die Empfindungen zum Ausdruck bringen, die man bei einem Besuch erlebt.

Sanft streichle ich über dein weiches Fell und lass meine Gedanken fließen.
Tilli, es war damals ein schwerer Schlag für uns, als deine Halbschwester Emmy bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Doch wir wollten gern unser Leben mit einem Hund teilen und so bist du, nur kurze Zeit später, bei uns eingezogen.

Als du zu uns gekommen bist, warst Du 7 Monate alt. Die Herausforderung war, uns aufeinander einzustellen, denn du bist so ganz anders, als Emmy es war.  Du bist jetzt in Deinem 9. Lebensjahr. Fast 8 Jahre leben wir inzwischen zusammen, eine Zeit in der wir gemeinsam sehr viel erlebt haben, uns gegenseitig kennenlernen konnten und zusammengewachsen sind.

Es ist dir gelungen, im Handumdrehen viele unserer Vorstellungen von einer Mensch – Hund – Beziehung über den Haufen zu werfen und innerhalb kürzester Zeit hast du dir deinen Platz in unserem Rudel erobert. Als erstes hast du dir deinen Lieblingsliegeplatz bei mir im Rücken gesichert. Dein nächster Schritt war, das Bett mit uns zu teilen. Etwas, das ich zuvor niemals wollte. Drei nächtelang haben wir miteinander gerungen, dich immer wieder in dein Körbchen zurückgesetzt, doch kaum hatte ich mich hingelegt, bist du wieder zurück ins Bett gekommen.  Okay, ich habe verloren. Heute finde ich es sehr schön und freue mich, dich am Fußende zu spüren. Mit deinem Verhalten hast du von Anfang an deine enge Bindung an Menschen zum Ausdruck gebracht und dass dir Körperkontakt extrem wichtig ist.

Doch so sind bei weitem nicht alle Hunde, und auch nicht alle Yorkshire Terrier.  Emmy zum Beispiel, obwohl eng mit dir verwandt, hätte sich als Besuchshund vermutlich nicht wohlgefühlt, denn sie verfügte über ganz andere Eigenschaften.   Sie war ein richtiger Einzelgänger und erfolgreicher Jagdhund.

Bevor Yorkshire Terrier nämlich im ausgehenden 19. Jahrhundert als Begleithunde der vornehmen Gesellschaft gezüchtet wurden, standen diese flinken, niedlichen Terrier den Arbeitern in den Industriegebieten im Norden Englands als Mäuse- und Rattenfänger zur Seite.

Aufgrund dieser Historie erklärt sich für mich auch, warum ihr süßen Yorkies über solch vielfältige Talente verfügt.

Ich weiß nicht, ob meine Überlegungen immer richtig sind. Das ist aber auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass wir eine enge Bindung haben und ich als Mensch dich als Mitlebewesen Hund verstehe und respektiere. Mit Erstaunen und Bewunderung entdecke ich immer wieder neue Verhaltensweisen bei dir.

So manch einer schlägt vermutlich die Hände über dem Kopf zusammen, wenn ich sage, dass unsere erste Gassi – Runde, jeden Morgen pünktlich um 5.00 Uhr, von dir bestimmt wird und ich lediglich die Aufgabe habe, dich zu begleiten. Doch aus welchem Grund sollte ich das verändern? Zumal die frühmorgendlichen Überraschungs – Spaziergänge auch mir guttun.

Auch das Seniorenheim, das wir regelmäßig besuchen, wurde, wenn ich es recht überlege, von dir ausgewählt. Bewohner im Rollstuhl oder Rollator, die mit ihren Angehörigen Spaziergänge gemacht haben, wurden von dir stets freudig begrüßt. So sind wir miteinander ins Gespräch gekommen und der Wunsch, die Heimbewohner zu besuchen, wurde geäußert. Geschickt, wie du das eingefädelt hast.

Ich bin unglaublich stolz auf all deine Fähigkeiten, die auch bei unseren Besuchen, immer wieder mit Bewunderung aufgenommen werden. Du freust dich auf deine „Arbeit“ im Seniorenheim, auf die Menschen, die dich streicheln, dir ein Leckerchen geben, mit dir spielen oder mit dir reden.

Voller Anerkennung nehmen sie wahr, dass selbst so ein kleiner Hund äußerst gehorsam ist und Kommandos, wie SITZ, PLATZ, NIMM, BLEIB, GIB PFÖTCHEN, SUCH und viele andere, perfekt beherrscht. Sie akzeptieren, dass du dein Plüsch – Mäuschen stolz herumzeigst, es aber niemals hergibst, du kleine Angeberin. Das ist der Schalk, den du im Nacken hast, und weshalb ich Dich auch Tilli genannt habe, mein kleiner Till Eulenspiegel.

Manchmal erzählen die Bewohner bei den Besuchen von schönen Erlebnissen aus ihrer Vergangenheit. Häufig auch von ihrem eigenen Hund, den sie früher einmal hatten. Sie erinnern sich an seinen Namen, wie sie mit ihm gespielt haben, welche Aufgaben er hatte, was er zu fressen bekommen hat oder wo er geschlafen hat. Ach, es war alles so lange in Vergessenheit geraten und du, Tilli, bist es, die diese Erinnerungen wieder wachgerufen hat.   

Wenn die Bewohnerin mit schmerzendem, gebrochenem Fuß, auf einmal die ganze Zeit strahlt, nur weil du im Raum herumwuselst und immer wieder ihren verletzten Fuß beschnupperst, ja dann geht mir das Herz auf, denn für diese Zeit hat sie all ihre Schmerzen vergessen.


Fortsetzung folgt …

Ein Gedanke zu “Tilli kommt zu Besuch”

  1. Mit grosser Freude habe ich heute den ersten Teil von Tilli gelesen

    Frisch und herzlich lässt ums
    Tilli an Ihrem Besuchshunde
    Alltag teilhaben.
    Ihre Froehliche Art ist ansteckend
    Und ich wuensche mir noch viele
    Fortsetzungen.
    Bleibt schoen Gesund du und
    Dein Frauche

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